Norbert Werner Kaiser
(Hochschule Ansbach für Angewandte Wissenschaften, Institut für Internationale Strategie Projekte, 91522 Ansbach, Deutschland)
Inhaltsangabe:Im globalen Wettbewerb ist die Attraktivität von Regionen sowohl für die Gewinnung internationaler Partnerschaften als auch für internes, stabiles Wachstum eine entscheidende Größe. Regionale Differenzierung ist ein Schlüsselfaktor im strategischen Management metropolitaner Regionen. Politik, Verwaltung, Universitäten und die Wirtschaft sind imstande, regionale Entwicklung und regionalen Wandel fundamental anzutreiben und zu steuern, in dem sie Kreative Milieus bzw. Kreative Zellen wie z.B. Cluster in der metropolitanen Wirtschaft generieren und stimulieren. Unter Berücksichtigung einer Wirtschaftsstruktur von großen wie auch kleinen und mittleren Unternehmen(KMU)-so wie dies typisch für Deutschland ist-wird im Kontext eines Strategischen Regionalmanagements die Frage einer top-down-Steuerung beleuchtet, ausgewählte strategische Projekte werden beschrieben und die Wirkung von Aktivitäten der Hochschule Ansbach für Angewandte Wissenschaften wird fokusiert. Den Abschluss bilden empirische Erfolgsfaktoren für die nachhaltige Entwicklung der hier dargestellten Region.
Schlüsselwörter:regionale Innovation; Kooperation zwischen Hochschulen und Regionen; Technologiepolitik
Abstract: In the context of global competition, the attractiveness of regions is decisive for both winning international partners and maintaining internal stable growth. Regional distinctiveness is key in the strategic management of metropolitan regions. Politics, administration, universities and industries are able to fundamentally pilot and drive regional development and change by stimulating and generating creative milieus and innovation links such as local or state clusters in metropolitan economies, taking into account an economic structure of large concerns and small and medium-sized companies being typical for Germany. In the past 25 years, the creative milieus within the Nuremberg(Metropolitan) Region, (Bavaria) have shaped four systemized structures such as IGH, AnwenderClubs, regionale Technologie-Cluster bzw. Kompetenz-Initiativen sowie Mikro Campi. In the context of strategic region management, relevant strategic policies of the Nuremberg(Metropolitan) Region have made differences for the activities of Ansbach University of Applied Sciences by virtue of a top-down governance.
Keywords: regional innovation;cooperation between university and region; technology policy
Die Region Nürnberg, 170 km nördlich der Landeshauptstadt München in Nord-Bayern gelegen, war vom Wortverständnis her in den 1990er Jahren polyzentrisch um Nürnberg als Zen-trum mit weniger als 1 Mio. Einwohnern gelegen(Städte-Viereck Nürnberg, Fürth, Erlangen und Schwabach). Im Gegensatz dazu beheimatet die heutige Metropolregion Nürnberg rund 3,5 Mio. Einwohner, weitere 27 Mio. Menschen sind innerhalb eines Radius von 200 km erreichbar[1]. Die Region war historisch und ist bis heute von Innovation geprägt: der älteste erhaltene Erdglobus von Martin Behaim stammt aus dem Jahr 1492, die Jeans wurde 1850 von Levi Strauss und der MP3-Standard 1991 am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen entwickelt. Und im diesjährigen Reuters Top 100 Innovation Ranking ist die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg auf einem hervorragenden zweiten Platz in Europa positioniert[2].
Mit ihrer hochindustrialisierten Struktur stand die Region Nürnberg in den 1990er Jahren vor enormen Veränderungsdruck: unzureichende Verzahnung mit Technologie-Megatrends, nicht ausreichender Technologie- und Wissenstransfer von Wissenschaft zu Wirtschaft, Betriebsverlagerungen nach Osten in Niedriglohnländer sowie regionale Identitäts- und Imagedefizite waren u.a. die Herausforderungen.
Um den Wandel proaktiv zu gestalten, haben regionale Entscheidungsträger aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft zu dieser Zeit zunächst einen intensiven Fokus auf den weiteren Ausbau der regionalen Hochschul- und F & E-Landschaft gelegt. Weitere wissensbasierte Strukturen zur systematischen Ausgestaltung des regionalen Innovations- und Technologiemanagements wurden erst im Verlauf der Zeit entwickelt. Diese werden nach einer kurzen Analyse regionalwissenschaftlicher Forschungsansätze im Folgenden beschrieben.
In der Literatur finden sich entsprechend einer zusammenfassenden Analyse[3]vier Ansätze für regionale Innovation: Regionale Innovationssysteme, Lernende Regionen, Kreative Milieus, Triple-Helix-Ansatz.
Als wesentliche Entwicklungstendenzen, die sich durch diese vier Ansätze ziehen, werden hier gesehen: (i) die konsequente Erhöhung von Institutionen für regionale Innovationsprozesse, (ii) die Bildung von Plattformen für Austausch und Akquise von Wissen, (iii) die gezielte Erhöhung von Sozialkapital(d.h. der soziale Zusammenhalt innerhalb einer Gemeinschaft)durch Einbinden und Halten von qualifiziertem Humankapital in wissensbasierte Plattformen sowie (iv) neue Formen interdisziplinärer Zusammenarbeit.
Regionen werden durch diese Maßnahmen im Verlauf der Zeit zu ,,siedenden Innovationskesseln“, in denen viele Akteure durch ihre Leistungen entweder abgestimmt oder auch parallel zum Innovationsgeschehen beitragen.
Bild 1 zeigt eine Momentaufnahme von Akteuren in der heutigen Metropolregion Nürnberg. Dargestellt ist die Wissenschaftslandschaft bestehend aus Universitäten und Außeruniversitärer Forschung und Entwicklung(F & E) wie Max-Planck, Fraunhofer und Helmholtz, sowie die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften. Dem gegenüber stehen Wirtschaft und wirt-schaftsfördernde Einrichtungen mit Wissens- und Technologie-transferstellen oder Geschäftseinheiten für Wirtschaft, Innovation, Technologie und Nachhaltigkeit, deren Führungsebenen u.a. in das Management wissensbasierter Plattformen wie Cluster eingebunden sind.
Der Raum zwischen diesen Einrichtungen dient mit seinen zahlreichen Plattformen dem Wis-senstransfer. So wurde bereits in der Region Nürnberg 1986 in universitärer Nähe eines der ersten deutschen Innovations- und Gründerzentren errichtet, um durch die spätere Auslagerung reifer Startups zu einem umgebenden Technologiepark beizutragen. Demo- und Anwenderzentren entstanden in den weiteren 90-iger Jahren in unterschiedlichsten Technologiefeldern, um dem eher kurz- und mittelfristig planenden KMU Zugang zu modernen Technologien für Produkt- und Prozessinnovation zu ermöglichen.
Bild 1 Strukturen und Akteure im regionalen ,,Innovationskessel“
Im heutigen Zeitalter der Digitalisierung entstehen derzeit an unterschiedlichen Orten der Metropol-Region Nürnberg Digitale Gründerzentren für die Digitale StartUp-Szene, oftmals als Inkubator-Zellen in Arealen und Gebäuden, die von den Industrien vergangener Zeiten frei wurden. Kleinere Städte ziehen mit eigenen kommunalen Technologie- und Innovationszentren im Verlauf der Jahre nach. So auch die Hochschule Ansbach mit dem Technologie- und Innovationszentrum TIZ, in dessen konzeptionelle Entwicklung auch die Hochschule Ansbach für Angewandte Wissenschaften eingebunden war.
Der vorliegende Beitrag fokusiert aus der Praxis heraus vier Strukturen, die eine dynamische Entwicklung der Metropolregion möglich gemacht haben: Das System ,,IGH“, das System der AnwenderClubs, das System der regionalen Technologie-Cluster bzw. Kompetenz-Initiativen sowie, das System der Mikro Campi u.a. der Hochschule Ansbach für Angewandte Wissenschaften(siehe Bild 2).
Ergänzend werden Projekte betrachtet, die aus diesen Strukturen entstanden sind und heute zum regionalen und internationalen Innovationsgeschehen beitragen.
Bild 2 Systeme und Strukturen für Innovation und deren Träger
1) Das System ,,IGH“
Die Interessengemeinschaft Hochschulen(IGH) Region Nürnberg ist das höchste von der Industrie-und Handelskammer(IHK) Nürnberg ins Leben gerufene Gremium für den Hochschulausbau in der Region Nürnberg, bezogen auf die dort angesiedelte Universität und die weiteren sieben Hochschulen. Mitglieder sind die höchsten Repräsentanten aus diesen Einrichtungen sowie die höchsten Vertreter der Verwaltungen der Hochschulstädte. Ziel der jährlichen Treffen ist ein abgestimmter Konsens über die Entwicklung der Wissenschaftslandschaft in der Region für die Bayerische Staatregierung, die als Gast stets zugeladen ist.
2) Das System der ,,AnwenderClubs“
1993 von der IHK gegründet und von deren Fachexperten geführt ist das System der Anwen-derClubs. Zielgruppe sind kleine und mittlere Unternehmen(KMU), die zwei- bis dreimal im Jahr sich für 2-1/2-Stunden treffen, um aus Kurz-Präsentationen der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, der außer-universitären und universitären Forschung Wissen in die eigenen Unternehmen mitzunehmen. Die Clubs haben keine eigene Rechtsform, die Unternehmen sind nicht gebunden. Derzeit werden 13 Clubs zu Technologie-Themen wie Energie, Nachhaltigkeit, eMobilität und Informationssicherheit, aber auch zu Produkt- und Innovationsmanagement betrieben.
Vernetzen lassen sich die Clubs wiederum mit IHK-Produkten, die parallel mit Knowhow-Trägern entwickelt wurden. Beispielhaft für die Einbindung von Wissen aus Hochschulen für Angewandte Wissenschaften steht hier das IHK Innovatoren-Training, das aus der Praxis für die Praxis im Rahmen eines Benchmarking-Projekts entstanden ist und jetzt bundesweit allen IHKn zur Verfügung steht. Aber auch das überaus erfolgreiche, weiterhin mit EU-Förderung versehene internationale IHK-Projekt EUREM(plus) sei hier erwähnt.
3) Das System der regionalen Technologie-Cluster bzw. Kompetenz-Initiativen
In der Europäischen Metropolregion Nürnberg(EMN) arbeiten Wirtschaft, Wissenschaft und Politik auf zwei Arten miteinander. Die sogenannten Foren der Metropolregion einerseits sind Entscheider-Plattformen, in die hohe Repräsentanten von Städten, Landkreisen und Unternehmen eingebunden sind. Zum anderen werden Technologie-Cluster bzw. Kompetenz-Initiativen in der Region betrieben, in denen es vor allem um die Bündelung der großen Unternehmen sowie um die Entwicklung von High-Tech-F & E-Projekten zur öffentlichen Förderung durch das Land Bayern oder die Bundesregierung geht. Automation/Robotik, Automotive, Energie oder Medizin & Gesundheit stehen beispielhaft für die technologische Fokusierung der Cluster. Da viele eine eigene Rechtsform haben, ist die Bindungskraft zwischen den Mitgliedern und Einrichtungen in diesen Wissensplattformen sehr hoch. Dies gilt auch für den Lerneffekt aus gemeinsamen Forschungsanträgen, die bundesweit im Wettbewerb mit anderen Regionen stehen. Gesteuert werden die Cluster durch hochrangige Persönlichkeiten aus Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft, entsprechend dem Triple-Helix-Ansatz für regionale Innovation.
In der heutigen Zeit zählen nicht mehr nur Technologieentwicklungen aus den Clustern allein. Cross Cluster Innovation, z.B. Green Hospitals, oder die Digitalisierung in den Clustern, z.B. Digitales Gesundheitswesen oder Intelligente Mobilität, sind hier aktuelle Forschungsthemen.
Dies ist in schematisch dargestellt.
Bild 3 Das System der regionalen Technologie-Cluster/Kompetenz-Initiativen
4) Das System der Micro Campi
Um Wissens- und Technologietransfer in Städten ländlicher Regionen zu ermöglichen, haben Hochschulen für Angewandte Wissenschaften das Konzept der Micro Campi ins Leben gerufen. Micro Campi sind von der Hochschule betriebene Außenstellen. Hierfür werden neue oder renovierte Gebäude als Inkubatorzellen von Kleinstädten in der Fläche finanziert und zur Verfügung gestellt. Micro Campi sind technologie-spezifisch aufgestellt und werden als Technologie- und/oder Studien-Campus geführt. Die Hochschule Ansbach betreibt in ihrer Region vier Campi: einen Polymer-, einen Energie-Effizienz-, einen Lean Management- sowie einen Cross Cultural Management-Campus(siehe Bild 4).
Bild 4 Das System der Micro Campi der Hochschule Ansbach
Wissens- und Erfahrungsaustausch leben von Kommunikation, von persönlicher Nähe(face-to-face) und von Vertrauen. Die Unterstützung, die den Campi aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung zuteilwird, beweist dies.
Die(Metropol-) Region Nürnberg hat in den vergangenen 25 Jahren durch die Etablierung der dargestellten Systeme und der daraus entwickelten strategischen Projekte eine enorme Dynamik durchlaufen, die heute zu regionaler Agilität und zu einer sehr flexiblen und interdisziplinären Wissensarbeit in den regionalen Plattformen beiträgt. Im Jahr 2005 wurde die Region formal im Sinne der Raumordnung als Metropolregion anerkannt. Insbesondere durch die kollektive Erarbeitung eines gemeinsamen Entwicklungs-Leitbilds und einer gemeinsamen Vision haben kreative Zellen und die sich daraus gebildeten Systeme eine langfristige Zielrichtung erhalten, die in dem Marketing-Slogan ‘Metropolregion Nürnberg. Kommen. Staunen. Bleiben.‘ zum Ausdruck kommt und die gesamte Vielfalt der Region von Technologie über Freizeit bis hin zu Kunst und Kultur beinhaltet[4].
Als wesentliche prozess-orientierte Erfolgsfaktoren(EF) für diese Entwicklung können aus der empirischen Analyse extrahiert werden:
EF1: Ein zukunftsorientiertes, gemeinsames ‘Wollen‘ auf oberster regionaler Entscheider-Ebene in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft,
EF2: Erarbeitung und Fortschreibung eines Regionalen Entwicklungs-Leitbilds mit langfristiger Vision, mittelfristigen Strategien und kurzfristigen Zielen,
EF3: Die Generierung von Clubs, Cluster und Campi als Nuklei bzw. Zellen für den Wissensaustausch zwischen Experten(innen) mit dem Ziel, neue, innovative Projekte zu generieren,
EF4: Die Inaussichtstellung finanzieller Förderung, um den Wettbewerb von Projektideen und Projekten zu initiieren und zu belohnen,
EF5: Eine konsequente face-to-face-Strategie trotz digitaler Kommunikation,
EF6: Permanente Kommunikation von Meilensteinen und Erfolgen.
Die Zahlen sprechen für sich. Das Bruttoinlandsprodukt BIP der EMN ist in den Jahren 2005 bis 2012 um 25% und damit schneller als in Bayern und Deutschland gewachsen, die Einkommen liegen 10% über dem Bundesdurchschnitt. In Forschung und Entwicklung ist der Anteil der Beschäftigten in der High-Tech-Branche um den Faktor 1,35 höher als im Bundesdurchschnitt, das F&E-Personal hat von 2007 bis 2011 um 15% zugenommen und der Patent-Innovations-Index ist fast doppelt so hoch wie im deutschen Durchschnitt. 96% der Menschen bewerten die Lebensqualität der EMN insgesamt als hoch, was zum Bleiben motiviert und dadurch zur internen Stabilität beiträgt.
Eine Entwicklung, die beispielhaft ist und weitere Investitionen nach sich zieht. So wird die Bayerische Staatsregierung die bestehenden Hochschulen sowie die Errichtung einer neuen Technischen Universität in Nürnberg mit rund 3 Mrd. Euro unterstützen, was zusätzlich von einem IHK-Hightech-Zukunftsprogramm 2025 flankiert wird.
Der Autor richtet seinen Dank an die Industrie- und Handelskammer Nürnberg für Mittelfranken(IHK) sowie an den Marketingverein Europäische Metropolregion Nürnberg e.V. für die Bereitstellung von Grafiken, Logos und weiterführenden Informationen zu regionalen Projekten und Daten.
Dank geht auch an die Hochschulleitung der Hochschule Ansbach für Angewandte Wissenschaften für die Unterstützung dieses Beitrags in Hangzhou, Provinz Zhejiang, China.